CLIENT: Universität Wien
DATE: 2022 bis 2025
FOTOS © Christoph Panzer
HOSPITALITY
hUBB
In Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären Projektteam, erarbeiteten wir im Lauf der letzten zwei Jahre die „Räume der physischen Begegnung“ – kurz und prägnant „hUBB“ genannt – in der Erdgeschoßzone der Biologie Universität Wien. Gemeinsam konnten wir einen wahrlich außergewöhnlichen Ort schaffen, an dem analoge Kommunikation – unterstützt durch spezielle Sitz-, Lehn-, Lümmel- und Liegemöbel – nachhaltig und schwellenlos möglich gemacht wird.
Der großzügige, an die Außenbereiche angeschlossene, lichtdurchflutete Raum in der Erdgeschoßzone der Wiener BIO Universität war ursprünglich für die Nutzung als Uni-Mensa vorgesehen. Es kam anders. Allgemein machte sich im Universitätsbereich bereits ein Trend zur Abkehr von rein kommerziellen Ausspeise-Bereichen bemerkbar. Zu einem grundlegenden Neudenken führte dann aber die Ausnahmesituation im Zuge der Pandemie. Neben dem gemeinsamen Essen gewann der analoge Austausch mit dem Andauern der Isolation zunehmend an Wertigkeit und Bedeutung. Vor diesem Hintergrund entwickelte eine speziell eingesetzte Projektgruppe ein neuartiges Nutzungskonzept. Es sollte hier ein Bereich entstehen, der allem voran dem interdisziplinären analogen Treffen und Austausch auf Augenhöhe dienen soll.
Die Ansprüche an das Funktionsspektrum des Raums waren darüber hinaus überaus vielfältig:
Es soll hier unter dem vergleichsweise pragmatischen Projekttitel „Räume der physischen Begegnung“ ein ganz spezieller Ort entstehen, an dem alles möglich ist. Ein nachhaltiges Pilotprojekt für spontane aber auch geplante analoge Begegnungen, ein Cafe mit Kiosk, günstige, nachhaltige Tagesmenüs, aber auch Möglichkeiten zur Selbstversorgung, ohne den Eindruck von Konsumzwang zu erwecken. Vollkommene Einsichtigkeit und großzügige Offenheit, die aber auch individuelle Rückzüge zulassen soll. Gleichzeitig wird der Bereich aber auch bzw. vor Allem ein Raum des Austauschs, der Zusammenarbeit und des interdisziplinären Diskurses sein. Darüber hinaus sollen auch Theateraufführungen, Yogaklassen, Ausstellungen, Workshops und Symposien mit bis zu 200 Teilnehmern hier stattfinden können. Alles soll in Bewegung sein und bleiben, der Raum muss multifunktional agieren können, aber zugleich ein ausdrucksstarker Flagshipstore für diesen neuen Community-Gedanken mit starkem CI-Charakter sein. Nachhaltigkeit auf allen Ebenen inklusive.
Im ersten Schritt galt es sich dem Thema über eine grundlegende Analyse der menschlichen Kommunikationsformen in Hinblick auf mögliche unterstützende Aufenthaltsqualtiäten anzunähern. Überlegungen und Studien zur räumlichen Anordnungen bzw. Positionierungen, die analoge Kommunikationsformen anregen sowie Strömungsanalysen und -abfolgen, um die Anordnung der diversen Funktionszonen im Raum herauszufinden, folgten.
Die Antwort auf diese durchaus herusfordernde Heterogenität des Gesamtvorhabens manifestierte sich in Folge in einer illustren Truppe an Möbelikonen, die jede für sich genommen vor Individualismus strotzt, die aber gemeinsam gesehen zu einer harmonischen Familie zusammenwachsen – eine durchaus gewünschte Analogie zur Diversität der Nutzergruppe und deren Ansprüche. Jedem der Darsteller wurden entsprechende Charaktereigenschaften zugeordnet – in der Raumabfolge startend mit den „Coolen“ – einer frech in den Raum schwingenden Schlangenbank zum kurzen Anlehnen und die Füße baumeln lassen – über die „Unverbindlichen“ – einem lässigen, geradezu gewagt auskragenden Stehtischensemble – bis hin zu den „Tiefstaplern“ – einem bodenversenkten Auditorium mit großzügigen, terrassieren Sitzstufen, welches den Raum nach hinten hin abschließend beruhigt.
Die absoluten Stars der Truppe sind aber die „Wilden“. Sechs ungewöhnliche Objekte – irgendwie Stufen, mit ein bisschen Bank und Liege gemischt – keine klassischen Möbel im eigentlichen Sinn, eher Freitreppen, Kulissen oder Tribünen, aneinandergereiht wenn man will sogar Theater oder Kino. Sie wirken miteinander, aber auch von sich abgewandt. Für kleine und große Gruppen, der Kommunikation gewidmet, sie bieten aber ebenso den Individualisten unter uns Raum für Entfaltung.
Will man sie bewegen, kehrt man thematisch an die Anfänge der Mobilität zurück. Eine analoge Kurbel hebt die „Wilden“ hydraulisch umgelegt sanft aber bestimmt vom Boden ab und stellt sie auf mobile Rollen. Nicht ganz unbeabsichtigt, wie eine Analogie an etwas zu schnell abgespielte Schwarz-Weiss Filme über Oldtimer gestaltet sich die Inbetriebnahme. Irgendwie erinnert die Shilloutte der Wilden sogar etwas an diese einprägsamen Urautos.
Aber eigentlich gehts bei den „Wilden“ – wie bei ihren Kollegen auch – um Kommunikation und Flexibilität. Es ging darum ikonische Objekte mit Charakter zu schaffen, die zudem alles was der menschliche Körper an Positionen einzunehmen bereit ist unterstützen. Sie sind untereinander kompatibel, in Reihen und Schlangenlinien zusammen zu stellen und doch ist jeder einzelne Wilde ein bisschen anders als die anderen und funktioniert auch als Solitär. Mit Ihnen ist viel möglich – sitzen, liegen, lümmeln, stehen, lehnen – bodennah oder auch erhöht mit Ausblick.
Im Sinne der Nachhaltigkeit verzichten die Truppe auf jeden Schnick-Schnack. Die Möbelfamile bleibt pur und präsentiert ungeniert auch ihre innerste hölzerne Tragkonstruktion. Die Oberfläche kommt den Benutzern leicht entgegen – teils natürlich gebürstet, teils bricht akustisch wirksamer Filzbelag die Härte der puren Holzplatten. Die Formensprache ist einfach, klar, stark, individualisiert und immer direkt mit dem Thema analoge Kommunikation verlinkt.
Der Flexibilität und Multifunktionalität geschuldet sind hier nur die Randzonen fix, alles andere kann im (und aus dem) Raum bewegt werden. Die Funktionszonen, wie die Garderobe oder Teeküche, diverse Stauräume und Zugänge sind in einer geschwungenen Funktionswand zusammengefasst und über prägnante Ikons beschriftet. Alle Einschnitte in die ansonsten schlicht weiße Wand sind in einem warmen, sonnigen CI-Gelb gehighlightet. Zentral in der Mitte der Funktionswand platziert, versorgt LIAs Bistro die Nutzer bei Bedarf mit kalten und warmen, veganen und vegetarischen Köstlichkeiten sowie täglich frischen Menüs.
Auch die Beleuchtung kommuniziert mit den Nutzern. Minimalisitsche Linien und Kreise zeichnen sanft geschwungene Bewegungen wie ein Leitsystem an die Decke.
Dezent in Grau gehalten, stellt sich optisch die technisch ausgeklügelte Akustikdecke in den Hintergrund. Ein anspruchsvolles, gemeinsam mit Akustikern und Bauphysikern entwickeltes System aus Segeln und U-Baffeln bricht und leitet den Schall und beruhigt den offenen Raum trotz reger kommunikativer Nutzung nachhaltig.
hUBB heißt dieser besondere Ort nun. Seit Ende Oktober geöffnet, steht der Raum neben Studierenden, Mitarbeitern und ihren Gästen auch einer interessierten (oder schlichtweg hungrigen) Öffentlichkeit zur Verfügung.
Pressearbeit:
Bina Köppl Communications
https://www.binakoeppl.com/designkollektiv/
Interiorplanung, Design, CI Entwicklung: designkollektiv GmbH
Leistungen: Konzept/Vorentwurf, Entwurfsplanung, Ausführungsplanung, Leistungsverzeichnis, Bemusterung; KOL
Generalplaner: Vasko + Partner
Ziviltechniker für Bauwesen und Verfahrenstechnik GesmbH
Großküchenplanung: Ronge & Partner Group
Projektsteuerung: Hitzler Ingenieure GmbH & Co. KG
Betreiberin Kiosk: LIAs Bistro
Leitsysteme: d-licious / Grafikdesign & Signaletik e.U.
Ausführende Firmen:
Generalunternehmer: Swietelsky AG
Tischler: technoholz GmbH
Akustikdecke: Next Acoustik, NEXT OFFICE GmbH
Elektro: Elektro & Electronic Landsteiner GMBH
Leuchten: Lichtprojekt Aigner & Wöber GmbH
Stellmöbel: AREA Handelsgesellschaft mbH
Verwendete Produkte
Alphabet of light / Artemide / Lichtlinien
Co Chair / Audo – Dining und Barchair / Stühle
Softline Magnum / Sitzsäcke